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vossi
BeitragVerfasst am: 29. Nov 2005 19:57    Titel:

Kann es nicht seindas der Text in Zusammenhang mit dem 2. Weltkrieg steht? (Dem 1. weniger da die Leute dort im Inland total begeistert waren und nur im Ausland gekämpft wurde)

Würde ja auch von der Lebenszeit des Autors passen. Man müsste nur noch wissen wann der Text verfasst wurde!

In dem Falle hätte ich eine Idee... Sonst kann ich dir auch nicht weiterhelfen
Lindenblatt
BeitragVerfasst am: 29. Nov 2005 09:49    Titel: Benjamin: Ein Kind in der Schule

Wer kann mir helfen, diesen eigenartig symbolisch-impressionistischen Text zu entschlüsseln?

Ein Kind kommt zu spät zur Schule. Wahrscheinlich in Angst und mit träumerischen Gedanken.
Hat wohl schon absichtlich geknüngelt... (Ich weiß, das Wort gibt es nicht im Duden der 23. Aufl.; aber damit kann sich das Kind jetzt nicht aufhalten.)


WALTER B E N J A M I N (1892 – 1940):
Zu spät gekommenes Kind


Die Uhr im Schulhof sieht beschädigt aus durch seine Schuld. Sie steht auf „Zu spät“. Und in den Flur dringt aus den Klassentüren, wo es vorbeistreicht, Murmeln von geheimer Beratung. Lehrer und Schüler dahinter sind Freund. Oder es schweigt alles still, als erwarte man einen. Unhörbar legt es die Hand an die Klinke. Die Sonne tränkt den Flecken, wo es steht. Da schändet es den: grünen Tag und öffnet. Es hört die Lehrerstimme wie ein Mühlrad klappern; es steht vor dem Mahlwerk. Die klappernde Stimme behält ihren Takt, aber die Knechte werfen nun alles ab auf das neue; zehn, zwanzig schwere Säcke fliegen ihm zu, die muß es zur Bank tragen. An seinem Mäntelchen ist jeder Faden weiß bestaubt. Wie eine arme Seele um Mitternacht macht es bei jedem Schritt Getöse, und keiner sieht es. Sitzt es dann auf dem Platz, so schafft es leise mit bis Glockenschlag. Aber es ist kein Segen dabei.
*
(Aus: W. B.: Einbahnstraßen. Schriften. Bd. I. 1955)


*

Vor der Tür zur Klasse.
Das Klappern des Mühlrades, das durch das leise Geräusch des in der Klasse redenden Lehrers assoziiert wird, versetzt die Wahrnehmung, bedingt durch die Erinnerung des Kindes an einen ganz anderen Raum, in einer Mühle, mit laufendem Mahlwerk, mit geschäftiger Arbeit; eine Heimatszenerie, sein Elternhaus?
Oder klingt hier eine Traumwelt nach, wo es, das Kind, ein Geschehen miterlebt hat, in einer Geschichte, einem Märchen, in der Nacht?
Das Kind nimmt zwar noch Platz im Klassenraum, ohne dass uns eine mahnende oder störende Reaktion des Lehrers mitgeteilt wird. Wenn's vernommen - hat's vergessen!
Aber da ist ein mir vertrautes, vergebliches Warten auf ein Teilnahme, ein Angesprochenwerden, auf einen Erlebnissinn des Unterrichts. Vergebens?

*
Zur Sprache, zum Aufbau, zum Stil – das habe ich erst mal weggelassen.
Da mir das Erlebnis des Kindes naheging.
*
Wer hat noch Ideen der Verständigung zu dieser eigenartigen Schulszene?

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