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Handkes Litearturbegriff
 
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Petra Fuß
Gast





BeitragVerfasst am: 01. Jun 2006 10:13    Titel: Handkes Litearturbegriff Antworten mit Zitat

Kan mir jemand helfen, was hier die Begriffe "engagiert" oder "romantisch" bei Peter, dem Heine-Handker, bedeuten:

Peter Handke, Auszug aus „Die Literatur ist romantisch" (1966)

(…).Brecht und andere haben vom Gedicht und wohl überhaupt vom literarischen Werk „Gebrauchswert" gefordert. Was aber soll diese Forderung, ausgedrückt in einer dieser freischwebenden Metaphern, die die marxistische Kunstauffassung der Warenwelt entlehnt hat (Ware ist, was Gebrauchswert hat)?
Ein Sprechchor, zu einem Gedicht poetisiert, kann nur von Naiven noch „gebraucht" werden; das kommunistische Manifest, zu Hexametern verformt, als was kann es noch gebraucht werden? Durch die literarische Formalisierung hebt Brecht die Brauchbarkeit entweder auf, oder er verfremdet sie.
„Brauchbar" im nichtmetaphorischen Sinn sind nur die normativen Wörter der nichtliterarischen Wirklichkeit, die Parolen, die Forderungen, die Drohungen, die Programme: werden diese Parolen usw. zu Literatur gemacht, so werden sie verwendungsunfähig, und der Gebrauchswert wird zur Metapher, über die man sich herzlich belügen kann.

*

Handke - ein Fest für die Romanticker...?
Sirius



Anmeldungsdatum: 29.04.2006
Beiträge: 180
Wohnort: Erlangen

BeitragVerfasst am: 01. Jun 2006 10:55    Titel: Antworten mit Zitat

Beide Begriffe deiner Frage kommen in dem Textauszug nicht vor ("romantisch" nur im Titel. Ihre Bedeutung im Kontext lässt sich aus dieser Textstelle also nicht erschließen.
Ist euer Bezugstext nicht länger??

Irritierte Grüße
Sirius

_________________
"So tauml' ich von Begierde zu Genuss,
Und im Genuss verschmacht' ich nach
Begierde." (Wald und Höhle)
Petra Fuß
Gast





BeitragVerfasst am: 01. Jun 2006 12:41    Titel: Antworten mit Zitat

Der (gschnittete) Arbeitstext lautet:

(…).Brecht und andere haben vom Gedicht und wohl überhaupt vom literarischen Werk „Gebrauchswert" gefordert. Was aber soll diese Forderung, ausgedrückt in einer dieser freischwebenden Metaphern, die die marxistische Kunstauffassung der Warenwelt entlehnt hat (Ware ist, was Gebrauchswert hat)? Ein Sprechchor, zu einem Gedicht poetisiert, kann nur von Naiven noch „gebraucht" werden; das kommunistische Manifest, zu Hexametern verformt, als was kann es noch gebraucht werden? Durch die literarische Formalisierung hebt Brecht die Brauchbarkeit entweder auf, oder er verfremdet sie. „Brauchbar" im nichtmetaphorischen Sinn sind nur die normativen Wörter der nichtliterarischen Wirklichkeit, die Parolen, die Forderungen, die Drohungen, die Programme: werden diese Parolen usw. zu Literatur gemacht, so werden sie verwendungsunfähig, und der Gebrauchswert wird zur Metapher, über die man sich herzlich belügen kann.
Jedes Engagement also wird durch die literarische Form entwirklicht, in der Geschichte wird es Fiktion, im Gedicht Poesie, oder beides in beiden. Der engagierte Schriftsteller kann sich, als Schriftsteller, nicht engagieren. Die Literatur macht alles Wirkliche, auch das Engagement, zu Stil. Alle Wörter macht sie unbrauchbar und verdirbt sie, mehr oder weniger. Sie überspielt alles; Wörter, die als Handeln gemeint waren, werden zu Spiel: sie macht die Wirklichkeit, die sprachliche, die sie zitiert, und die außersprachliche, die sie benennt, zu Spiel. Die Literatur ist unwirklich, unrealistisch. Auch die sogenannte engagierte Literatur, obwohl gerade sie sich als realistisch bezeichnet, ist unrealistisch romantisch.
Denn engagieren kann man sich nur mit Handlungen und mit als Handlungen gemeinten Wörtern, aber nicht mit den Wörtern der Literatur. Ein Irrtum in dieser Sache ist recht schwerwiegend: leicht kann ein Mann, der Schriftsteller ist, sein Engagement verspielen, indem er drumherum Gedichte und Geschichten macht, weil er meint, er sei als Schriftsteller zum Engagement verpflichtet und nicht als Angehöriger einer Gesellschaft. Eine engagierte Literatur, sollte es jemals eine solche geben, müßte jedes spielerische, formale Element aus der Literatur entfernen: sie müßte ohne Fiktion auskommen, ohne Wortspiel, ohne Rhythmus, ohne Stil.
Dazu aber wäre erst eine neue Definition der Literatur nötig. Eine solche Literatur wäre eine ernste, eindeutige, zur Wirklichkeit gehörende: und nur für sie wäre das Wort „realistisch" zutreffend.
*
Peter Handke, Auszug aus „Die Literatur ist romantisch" (1966).
Sirius



Anmeldungsdatum: 29.04.2006
Beiträge: 180
Wohnort: Erlangen

BeitragVerfasst am: 01. Jun 2006 15:48    Titel: Antworten mit Zitat

Offenbar verwendet Handke hier romantisch und realistisch als Gegensatz. Eigentlich - so wie ich den Text verstehe, den ich sonst nicht kenne - hebt er nur auf den Unterschied ab, dass literarische Texte immer (auch) durch Form geprägt sind und somit an Inhalt verlieren. Anders gesagt: literar. Texte sind fiktional und stehen somit zur "Realtität" im Gegensatz.
Da er sich auf Brecht bezieht lässt sich vielleicht eine von dessen "Herr Keuner-Geschichten" heranziehen, nämlich die über "Form und Inhalt". Brecht beschreibt in der kurzen Gescichte einen Gärtner, der ein Bäumchen in Kugelform zuschneiden will, die runde Form jedoch lange nicht trifft und deshalb immer weiter schneidet, bis am Schluss nur mehr ein winziges Baumkrönchen übrig bleibt. Am Schluss steht dann die Frage: Gut, die Form ist jetzt getroffen; doch wo ist der Inhalt?

Hilft das weiter?

Romantische Grüße
Sirius

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Begierde." (Wald und Höhle)
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