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An die Parzen
 
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badboy54



Anmeldungsdatum: 21.08.2006
Beiträge: 11

BeitragVerfasst am: 21. Aug 2006 15:13    Titel: An die Parzen Antworten mit Zitat

Hi!

Ich wollte fragen, ob mir einer eine Zusamenfassung geben könnte vom Gedicht ,,An die Parzen" von Friedrich Hölderlin, da ich das Gedicht überhaupt nicht verstehe?



Würde mich für eure Antworten sehr freuen! smile
Lindenblatt



Anmeldungsdatum: 30.10.2005
Beiträge: 160
Wohnort: Ruhrpott

BeitragVerfasst am: 22. Aug 2006 10:23    Titel: Antworten mit Zitat

Wenn Du nicht wörtlich "Sommer" und "Herbst" als bloße, allgmeine Jahreszeit - sonden als Reifezeit des gefährdeten, psychisch und sozial labilen Dichters mit seiner optimalen Gestaltungskunst und der erhofften herbstlichen Lese- und Ernteperiode als Poet (mt Anerkennung und Erfolg) deutest, kannst Du den Inhalt und die Intention Hölderlin erkennen.


Friedrich Hölderlin: An die Parzen

Nur Einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen!
Und einen Herbst zu reifem Gesange mir,
Daß williger mein Herz, vom süßen
Spiele gesättiget, dann mir sterbe.

Die Seele, der im Leben ihr göttlich Recht
Nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht;
Doch ist mir einst das Heil'ge, das am
Herzen mir liegt, das Gedicht gelungen,

Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt!
Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel
Mich nicht hinab geleitet; Einmal
Lebt ich, wie Götter, und mehr bedarfs nicht.
*
Entstehungsjahr: 1798
Erscheinungsjahr: ?
Aus: Gedichte 1796-1798.
Referenzausgabe: Jochen Schmidt: Friedrich Hölderlin. Sämtliche Gedichte und Hyperion. Insel-Verlag: 1999, S. 197.

*
Die "Madness of Hölderin" - die er ja erahnte, die er früh partiell, schubweise erlit, wird hier allegorich-theatralisch inszeniert.

Wegen dieser Gefährdung, in seinem Bewußstsein als besonderer Poet, sein Hoffnungslied an die Schicksalgöttinnen.


http://www.parnasse.com/apollo.jpg

Wenn Du dann noch Fragen zum Aufbau, zur Sprache... hast - bitte sehr!

_________________
Stultum deridet stultus nihil callidi cogitans.
badboy54



Anmeldungsdatum: 21.08.2006
Beiträge: 11

BeitragVerfasst am: 22. Aug 2006 14:47    Titel: Antworten mit Zitat

Welche sprachlichen Mittel benuzt denn der Dichter überhaupt( z.B. Alliteration, Metaphern usw.) ?

Und wie ist das Gedicht aufgebaut (sind ja keine Rhytmen vorhanden) ?
Lindenblatt



Anmeldungsdatum: 30.10.2005
Beiträge: 160
Wohnort: Ruhrpott

BeitragVerfasst am: 22. Aug 2006 17:19    Titel: Antworten mit Zitat

Diese Ode hat ein festes metrisches Schema; lass Dir das mal vom Lehrer erklären.

Hier eine komplette Interpretation –von wem, weiß ich noch nicht; ein Kollege hat sie mir rübergeschickt; ich solle den Verfasser selber erraten; im Internet existiert sie nicht; es könnte ein Germanist wie W. Jens, U.Segebrecht, Peter von Matt sein; wer weiß; vielleicht auch Reich-Ranicki.
*
Also übernimm nur für Deine Zwecke, was Du verstehst, und möglichst in veränderter Syntax!

Also: Hölderlin: Mit den GÖTTERN leben - Interpretation zu „An die Parzen:

In seiner Studentenzeit war Hölderlin die Politik mit Sicherheit nicht gleichgültig. Natürlich hat auch ihn, wie die meisten seiner Kommilitonen, die Französische Revolution begeistert oder zumindest irritiert. Doch hat er sich bald von der Gegenwart entfernt: Sie war seine Zeit nicht mehr. Wie sein Hyperion blieb er »auf der Erd' ein Fremdling«, die Zeitgenossen hielt er für »Barbaren von alters her«. Mit den Jahren wurde die Zukunft, die ersehnte und erträumte, zu seiner Epoche. Unter den Klassikern der deutschen Literatur ist er der Seher, der größte, wahrscheinlich der einzige. Er war ein Poet und ein Prophet zugleich. Und die Vergangenheit, die antike zumal, die er, so will es doch scheinen,, immer wieder beschworen hat? In Wirklichkeit war sie sein Thema nicht. Vielmehr diente sie ihm als Fundus, von dem er reichlich profitierte, als Schatzkammer, aus der er jene Elemente bezog, die er für seine Zukunftsvision benötigte - die Figuren und die Schauplätze, die Motive und die Requisiten. Von den Göttern sagte er, daß sie zwar leben, »aber über dem Haupt droben in anderer Welt«. Auch er lebte in einer anderen Welt — auf der Erde zwar, doch auch in den Wolken. Als ihn seine Krankheit von der Wirklichkeit zunächst entfernte und dann endgültig löste, da war er noch am Neckar und schon dort, wohin ihm keiner folgen konnte: er, der das Tiefste gedacht, das Lebendigste geliebt und das Dunkelste gedichtet hatte.
Aber ein »Hüter des heiligen Feuers«, wie man es ihm bisweilen nachrühmte, war er niemals. Er hat nichts gehütet, es sei denn sein Verhängnis: Letztlich wollte er nichts anderes ausdrücken, nichts anderes besingen als seine Existenz, seinen Lebensentwurf. Was er auch dichtete, er sprach in eigener Sache - von seiner Liebe und Not, von seinem Glück und Elend. In seinem Werk stehen die Mauern sprachlos und kalt, es klirren die Fahnen, die Wetterfahnen - und mit ihnen klirren die Ketten, an denen er riß und zerrte und von denen er sich nie befreien konnte. Es ist ihm alles kläglich mißlungen — nur nicht die Poesie. Sie, die Dichtkunst, war sein Beruf und seine Berufung, sie hielt er für seine einzige Aufgabe, in ihr sah er sein »freundlich Asyl« und des Lebens Sinn und Inhalt. Bloß sie„ meinte er, rechtfertige das Dasein. Er glaubte an die Erlösung durch die Poesie. Das war sein fortwährendes Postulat, sein flammendes Programm. Die berühmte Frage »Wozu Dichter in dürftiger Zeit?« sollte seine Leser, die er freilich kaum hatte, wachrütteln und provozieren. Es war, versteht sich, eine rhetorische Frage. Denn daß die Dichter gerade in dürftiger Zeit gebraucht werden, daran hat er nie gezweifelt, daß sie es sind, die das Bleibende stiften, das war seine Überzeugung, ja seine Heilsbotschaft. Als er nicht mehr dichten konnte, stellte er sachlich fest: „Ich bin nichts mehr, ich lebe nicht mehr gerne.“
So gehört denn die Poesie selber zu den wichtigsten Themen seiner Poesie.

Die Ode »An die Parzen«, geschrieben 1798 in Frankfurt am Main, ist, wie viele seiner Gedichte, ein Gebet. Der es spricht, wendet sich an die Schicksalsgöttinnen, die über die Lebensdauer des einzelnen entscheiden. Nur ein Begehren hat er: Die Parzen, die Gewaltigen, mögen ihm die Zeit gönnen, die unentbehrlich ist, damit sein Gesang reif werde.
Wie seine Gedanken an die Liebe immer eschatologisch gefärbt und bestimmt sind, so liegt auch seiner Idee vom Dichter das Bewußtsein von den Letzten Dingen zugrunde. In jeder der drei Strophen dieser Ode ist vom Tod die Rede. Wem das süße Spiel, der Gesang also, gelungen, dessen Herz stirbt williger: Er kann sich mit seiner Vergänglichkeit abfinden. Ihm ist seine Nichtexistenz - die Stille der Schattenwelt - sogar willkommen. Obwohl ihn sein Saitenspiel nicht mehr hinab in den Orkus geleitet, obwohl dort seine Kunst nicht existiert oder zumindest für ihn, den Künstler, nicht mehr wahrnehmbar ist, wird er doch »zufrieden« sein. Denn einmal wenigstens lebte er wie die Götter. Dies aber ist nicht als Befund zu verstehen, sondern als Wunsch: Er, der Poet, der »das Heil'ge« vollbracht, das vollkommene Gedicht, er hat alles erreicht, was «in Mensch erreichen kann; so gleicht er einem Gott. Mit anderen Worten: Nur der Kunst verdankt die Seele ihre göttliche Existenz. Oder auch: Die Kunst ist es, die unser Dasein erträglich machen kann. So verbirgt sich im Gebet des Künstlers ein Gleichnis menschlichen Sehnens und Strebens. Die Ode »An die Parzen« gehört zu den Wundern in deutscher Sprache. Aus ihr sprechen Stolz und Selbstbewußtsein, doch ohne Dünkel und Anmaßung. Mächtig ist die Emphase und dennoch frei von Übermut. Das Pathos läßt sich nicht überbieten und ist doch weder lau noch aufdringlich. Gefühl und Gedanke - hier bilden sie eine vollkommene Einheit. Die makellose Harmonie von Ton und Bild - hier ist sie verwirklicht. Es mag nicht einfach sein, diesen so anspruchsvollen Dichter zu lieben. Aber es ist unmöglich, ihn nicht zu bewundern, es ist schwierig, ihn nicht zu verehren, ihn, Friedrich Hölderlin.
*

Mein Zusatz:

Was daraus lernen? Als Schüler schon?
An seine eigene Aufgabe glauben, besonders, wenn man eine künstlerische für sich sieht – und an seine Imagination, Bildung glaubt und seiner Humanität vertrauen kann.

Willst Du (oder in der Klasse oder im Kurs) den Hölderlin kennen lernen, müsst Ihr den Film „Feuerreiter“ ankucken und besprechen! (Das Buch, hrsg. v. Jürgen Haase, mit dem Drehbuch von Susanne Schneider. Ein Film von Nina Grosse.)
*
http://www.absolutmedien.de/bilddatenbank/bilder/27/cover.jpg

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Stultum deridet stultus nihil callidi cogitans.
badboy54



Anmeldungsdatum: 21.08.2006
Beiträge: 11

BeitragVerfasst am: 22. Aug 2006 17:54    Titel: Antworten mit Zitat

Vielen vielen Dank!smile
Sirius



Anmeldungsdatum: 29.04.2006
Beiträge: 180
Wohnort: Erlangen

BeitragVerfasst am: 06. Sep 2006 14:08    Titel: Parzen Antworten mit Zitat

Tolle Interpretation - auch wenn sie reichlich über den Text hinaus geht, eher eine Stellungnahme zum Autor ist als nur zum Text.
Ich würde das einfacher sehen: EIN großes Werk muss der Mensch im Leben vollbringen. Dann war sein Leben sinnvoll, dann hat er in der Schöpfung dieses Großen sein Leben genossen und kann beruhigt sterben. Bei Hölderlin ist das eben ein Lied/Gedicht; aber das "Gestaltungsfeld" für Großes ist sicher austauschbar.
Was dieses EINE Erleben als ausreichend für das ganze Leben betrifft, fällt mich übrigens auch ein, was Schiller Don Carlos sagen lässt (dort aber auf seine Liebe zu Elisabeth bezogen): "Ein Augenblick, gelebt im Paradiese, wird nicht zu teuer mit dem Tod gebüßt." Dort ist freilich der Augenblick so wertvoll und zugleich gefährlich, dass er, um ihn zu erleben, sein Leben geben möchte - aber die Auffassung vom Wert des "göttlichen Augenblicks" ist sicher beiden gemeinsam.

Sirius

PS: Ich würde persönlich da gern noch ein bisschen verhandeln, ob's denn nicht ein paar so toller Augenblicke, Taten und Gefühle mehr sein dürften ...

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"So tauml' ich von Begierde zu Genuss,
Und im Genuss verschmacht' ich nach
Begierde." (Wald und Höhle)
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