Xabotis

Anmeldungsdatum: 29.12.2010 Beiträge: 848
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Verfasst am: 11. Jan 2011 19:50 Titel: Vorlage einer Gedichtanalyse |
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Hallo, ich habe hier einmal eine Gedichtanalyse eines Gedichtes aus der Zeit der neuen Subjektivität aufgeschrieb, sie kann aber als Vorlage für jede Art Gedichtinterpretation sein
Rolf Dieter Brinkmann
Selbstbildnis im Supermarkt
In einer
großen
Fensterscheibe des Super-
markts komme ich mirselbst
entgegen, wie ich bin.
Der Schlag, der trifft, ist
nicht der erwartete Schlag
aber der Schlagtrifft mich
trotzdem. Und ich geh weiter
bis ich vor einer kahlen
Wand steh und nicht mehr weiter
weiß
Dort holt mich später dann
sicher jemand
ab.
Gedichtinterpretation
Selbstbildnis im Supermarkt
Das Gedicht "Selbstbildnis im Supermarkt" von Rolf Dieter Brinkmann ist ein Gedicht aus der Epoche der neuen Subjektivität, welches sich mit der Differenz der Fremd- und Selbstwahrnehmung befasst.
Das 7-strophige Gedicht ist ataktisch, disambiton und reimlos. Das lyrische Ich spricht in Ich-Form und beschreibt das Bild eines Supermarktes.
In Strophe 1 wird das Bild der fensterscheibe im Bezug auf die Worte "groß" und das ironisch abgehackte "Super-" des Supermarktes als verzerrte, spiegelnde, somit abgebildete des Ichs beschrieben, welches wie in Strophe 2 vermerkt auf ebenjene zugeht "wie ich bin" (V. 5),sich somit unverfälscht sieht.
Der daraufhin folgende "Schlag" (V. 6), der als Symbol für die schmerzhafte Selbsterkenntnis steht, ist unerwartet und hart, trotz einer Ahnung des Selbstbildnises: "nicht der erwartete Schlag" (V. 7); "aber der Schlag trifft" (V. 8 )
Die darauffolgende Strophe ist ein Wendepunkt, wobei das "trotzdem" (V. 9) sowohl im Bezug auf Vers 8 gesetzt, als auch alleinstehend als Neubeginn verstanden werden kann. "Und ich geh weiter" (V. 9) ist im Gegensatz dazu zusätzlich zu seiner Eigenständigkeit in Bezug zu Strophe 5 zu setzen.
Damit besitzt das Gedicht eine um Vers 4 bestehende Ordnung: (drei Verse, Wendepunkt, drei Verse).
In der folgenden Strophe findet sich das Sprachbild der Wand, welches durch den bisherigen Weg unüberwindliche Hindernis. Nur eine Richtungsänderung ermöglicht neue wege, was der Sprecher jedoch nicht "weiß" (V. 12) Dieses Wort steht sowohl im Bezug zum auto, als auch aufgrund seiner Mehrdeutigkeit im Bezug zur Wand.
Eine zusätzliche Eigenschaft dieser ist, dass sie "kahl" (V. 10), also leer und kalt ist, was den Zustand des Autors wiederspiegelt.
Die letzten beiden Strophen können zusammen analysiert werden, da sowohl der Absatz, als auch die immer kürzer werdenden Verse darstellend für immer lang werdende Pausen sind, was die schwindende Zuvesicht des Ichs verdeutlicht. Unterstrichen wir dies durch unbestimmte Begriffe wie "später" (V. 13) und "jemand" (V. 14).
Der Autor ruft in diesem Gedicht zur Selbstoffenbahrung, akzeptanz, Umkehr und Aktivität auf, dadurch dass er anhand eines falschen Beispiels die Brisanz der Fehler zeigt.
Das Gedicht zeichnet sich auf grund der Metrik und des Selbstbezuges als Gedicht der neuen Subjektivität aus.
Tippfehler bitte ich zu entschuldigen, bei Fragen rund um das Thema "Gedichtanalyse" stehe ich gerne zur Verfügung.
Freundliche Grüße
Xabotis _________________ There is nothing, neither good nor evil, but human thinking makes it so. (W. Shakespeare)
Zuletzt bearbeitet von Xabotis am 11. Jan 2011 19:55, insgesamt 2-mal bearbeitet |
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