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Ludl
Anmeldungsdatum: 07.06.2005 Beiträge: 1
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Verfasst am: 07. Jun 2005 12:48 Titel: Stefan Zweigs Schachnovelle |
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Hallo
ich wollte nur einmal wissen ob mein denkansatz zu folgender Fragestellung richtig ist, oder ob ich auf dem totalen Holzweg bin...
Ich soll erläutern, welchen geistigen Gegensatz Stefan Zweig an den beiden Schachspielern aufzeigen wollte.
Dabei soll ich beachten, dass es nicht um ihrer selbst willen geht, sondern sie lediglich Symbolfiguren sind und zwei Geistesströmungen darstellen.
So mein denkansatz ist folgender:
Czentovic soll die eingfahrene seite des Lebens dartellen, auf eine Sache so fixiert, dass ein regelrechter tunnelblick entsteht. Er besitzt diese Hochbegabung fürs Schachspielen, aber alles andere ist vollkommen verkümmert und zurückgeblieben....
auf der anderen Seite Dr. B. der immer freundliche Lebemann, der durch Intelligenz brilliert, und trotz eines traumatischen Erlebnisses bei Verstand geblieben ist.
So und das würde ich dann weiterführen unter dem Aspekt, wie Stefan Zweig selber gelebt hat bzw. leben musste als er dieses Buch geschrieben hat.
Und unter Berücksichtigung der Gefangenschaft von Dr. B, wie sich Czentovic in dieser Situation verhalten hätte.
Ich hoffe es ist einigermaßen klar was ich meine^^
Ich bin für jeden Denkanstoß dankbar.
Vielen dank schon mal im Voraus. |
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Gast
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Verfasst am: 05. Jul 2005 15:23 Titel: |
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Hallo, du machst wohl auch Abitur bei ILS,oder?Ich bin nämlich gerade ebenfalls dabei diese frage zu beantworten...Denk mal dein Denkansatz geht in die richtige Richtung...Ich meinerseits wäre jedenfalls auch um jeden Tip dankbar.Wär also echt schön,wenn sich noch einige andere melden würden....! |
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abraxas Ehrenmoderator
Anmeldungsdatum: 19.07.2004 Beiträge: 870
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Verfasst am: 13. Jul 2005 01:22 Titel: |
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Ui, die Schachnovelle... nach dem Faust ist das mein lieblingsstück deutscher literatur... wirklich brilliant von zweig...
die frage ist recht interessant...
naja, eigentlich hab ich zwar grad keine zeit, muss nämlich nen essay für die uni schreiben... aber versuchen wir's mal...
die komplette analyse muss unter dem gesichtispunkt erfolgen, dass zweig, kind seiner zeit, von der psychologeie sehr angetan war und sowohl freud als C.G. Jung gelesen hatte... demnach ist sein ganzes werk auf den psychologischen blickpunkt konzentriert...
was zur folge hat, dass man die sache wirklich nicht so eindimensional sehen darf... die ansätze sind zwar gut, aber bei beiden steckt mehr dahinter...
Zweig beschreibt und begreift sich (wie aus seiner autobiographie "die welt von gestern" hervorgeht) als biograph seiner epoche.
C. ist nicht nur der dumme beschränkte bürger. er ist ein symbol für den talentierten menschen, der auch aus der misere heraus auf einmal reich und berühmt werden kann, wenn er das richtige talent hat... das ist etwas, das in jener zeit etwas total neues war... gleichzeitig ist er aber auch eine parodie auf denselben... C. scheint soetwas wie ein autist zu sein... mit sicherheit hat zweig einen ähnlichen menschen, der tatsächlich existiert haben muss beobachtet und nach ihm seinen C. geformt.
der bauer, der auf einmal in feiner gesellschaft ist, weiss sich nicht zu beherrschen... seine moral verkommt und er wird selbstgefällig... er ist unhöflich und sogar arrogant - unter dem frack ein bauer. zweig war nunmal kein sozialist oder freund des proletariats... (nebenbei: auch in seinen romanen gehts ja um töchter von hohen militärbeamten ("Clarissa") oder um Offiziere ("Ungeduld des Herzens") und in seinen novellen um hochgestellte persönlichkeiten bzw reichere bürger... die einzige novelle, die mir grad einfällt, deren hauptcharakter tatsächlich ein armer hund ist und trotzdem edel handelt ist die "Episode am Genfer See")
der arrogante bauer jedenfalls sieht sich am ende geschlagen und sucht ausflüchte, kann nicht akzeptieren, was tatsächlich geschehen ist...
was herrn B. angeht wird die sache schon schwieriger...
auf jeden fall ist er ein symbol für die nazi-greuel... eine große seele, ein mann von charakter und intelligenz... hier ja auch der hauptcharakter. und er wurde zugrundegerichtet... in jeder hinsicht wirkt das verhalten des mannes verstörend - denn er ist verstört (um nicht zu sagen gestört)...
er hat ein tragisches schicksal erlitten und darunter zu leiden, seine geschichte ist im grunde die geschichte der schachnovelle. seine leidensgeschichte der beweggrund für den autor, die schachnovelle zu schreiben. zweig wollte einerseits die leiden der intelligenz unter dem nazi-regime verdeutlichen... die intelligenz hatte am intelligent sein zu leiden. ausserdem natürlich war das ganze völlig grundlos - B. hatte nicht wirklich was verbrochen und wusste auch nicht so viel für die nazis nützliches.
wir haben es hier in jeder hinsicht mit zwei in sich gekehrten geistesgestörten zu tun. euren ansatz, das ganze in die soziale schublade zu stecken würde ich nicht zum hauptaspekt der analyse machen... dafür hat zweig der sozialen stellung der beiden zu wenig bedeutung beigemessen... vielmehr haben beide psychische leiden, die beide um ein und das selbe thema kreisen - auf vollkommen unterschiedliche weise. der eine C. wird aus seiner für ihn eigentlich gemachen umgebung gerissen (dem serbischen hinterlande auf dem bauernhof...) und kommt aufgrund seiner Idiotie nicht mit den neuen umständen zurecht... sein leiden macht ihn privilegiert - gleichzeitig ist er furchtbar davon abhängig...
B. ist hingegen jemand, der sein leiden nicht für sich nutzbar machen kann... denn es zehrt ihn auf... verschlingt fast schon seine menschlichkeit... ausserdem ist es nicht angeboren... die beiden sind beispiele für zwei vollkommen unterschiedliche arten geistiger erkrankung... der eine, debil und einseitig begabt von kindesbeinen an... der andere krank gemacht durch eine kranke art und weise mit ihm umzugehen...
ich hoff mal, das reicht euch als ansatz... ich müsst jetzt mal echt den essay schreiben... sonst werd ich damit nie fertig...
gut nacht... falls ihr weitere fragen habt: nur zu. _________________ Stell Dir vor es geht und keiner kriegts hin. |
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