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Gedicht Poetik-Vorlesung
 
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cpu8086



Anmeldungsdatum: 04.11.2008
Beiträge: 1

BeitragVerfasst am: 04. Nov 2008 15:48    Titel: Gedicht Poetik-Vorlesung Antworten mit Zitat

Hi,

ich hab ne Gedichtsinterpretation in einer Klausur schreiben müssen und hab sie wiederkommen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich angemessen benotet wurde, die beste Interpretation isses bestimmt nicht, aber so schlecht finde ich sie nicht. Ihr würdet mir einen großen Gefallen tun, wenn ihr mal inhaltlich das etwas unter die Lupe nehmen könntet(Also Rechtschreibung hab ich teilweise korrigiert). Achja gehe in die 12 Klasse und hab Deutsch GK.

Das Gedicht:

Poetik- Vorlesung

Wenn dann am Mittwoch dieser Krawall kommt,
das klirrende Blech knallt im Gestank,
die Kübel gegen den Dreckkessel donnern,
zack! Das frißt und mahlt alles was abfällt.

Zu Staub! Dieses Gefühl, wenn sie wieder da
waren! Dieser Neid! Diese Dankbarkeit!
Diese Leere! Freude und Wohlgefallen!

Dann betrachte ich meinen Tische, meine Hand:
keine Asche mehr, keine Kartoffelschalen.

Eine bessere Welt für zehn Minuten.
So vermessen wäre ich auch gern, so nützlich,
so rücksichtslos hilfreich wie die Müllabfuhr.

Hintergrundinformationen

Hans Magnus Enzensberger gehörte zur Gruppe 47. Er zählt zu den pol. Dichtern, die in den 50-er und 60-er Jahren vor allem kritisierenten, dass sich das Nachkriegsdeutschland nicht wirklich mit der NS-Vergangenheit auseinandersetzte und dass sich in der Wirtschaftswunder Ära Verdrängungstendenzen breit machten.
Eine Poetik Vorlesung ist eigentlich eine Veranstaltung an der Uni über Dichtkunst. Es ist üblich, dass ab und zu Schriftsteller an eienr Uni eine Gastprofessur übernehmen und dort ihre Auffassung darüber darlegen, wie und mit welchen Zielen man dichten sollte.


-------------------------------

Meine Klausur:

Das Gedicht „Poetik-Vorlesung“, von Hans Magnus Enzensberger im Jahre 1959 veröffentlicht, handelt von einer Gruppe, die jeden Mittwoch komm und Müll sucht, um ihn mitzunehmen.

Ich vermute, dass Enzensberger auf die Hausdurchsuchungen der Gestapo in der NS-Zeit anspielt.

Äußerlich betrachtet hat das Gedicht eine typische Gedichtform, und zwar ist es in vier Strophen unterteilt. Jedoch variieren die Anzahl der Verse, zuerst 4 dann 3,2,3. Des Weiteren lassen sich keinerlei Reimschemen erkennen, weswegen Enzensberger dies macht, werde ich später genauer erläutern. Das Gedicht hat ein regelmäßiges Metrum, den Jambus.

Im Folgenden werde ich auf den Inhalt der einzelnen Strophen eingehen. Die erste Strophe handelt von einer wöchentlich wiederkehrenden Handlung, und, dass eine Menge Lärm entsteht. Der folgende Abschnitt teilt dem Leser mit, dass eine Gruppe da war, die wohl diesen Lärm verursacht hat, auch werden die danach empfundenen Gefühle beschrieben. Was sich verändert hat durch ihren Besuch, wird in der dritten Strophe beschrieben, nämlich dass der Abfall weg ist. In der letzten Strophe wird deutlich, dass die Situation nach dem Lärm angenehm empfunden wird, allerdings wird auch ein Hoffnungsgedanke deutlich.

Beim Analysieren der ersten Strophe fällt direkt auf, dass hier der Hörsinn angesprochen wird, nämlich durch Wörter wie „Krawall“(Z.1); „klirrende“(Z.2);“knallt“(Z.2);“donnern“(Z.3), dadurch wird zum einen deutlich, dass das lyrische Ich die Situation als nicht angenehm empfindet, auch fällt auf, dass keinerlei bildlichen Beschreibungen über die wirklich stattfindene Szenerie gegeben werden. Dies lässt den Schluss zu, dass es hier eine häufig in der NS-Zeit vorkommende Situation beschreibt, nämlich eine Hausdurchsuchung durch die Gestapo, in der häufig Nachbarn nur durch den Lärm mitbekamen, das diese da ist. Für die Gestapo spricht auch dieses radikale Vorgehen, welches in Zeile 4 beschrieben wird (Vgl. „Das frißt und mahlt alles was abfällt“ Z. 4), das heißt die Gestapo nahm damals alles mit, was nur im Verdacht stand, also alles was bei einer Durchsuchung auffiel (vgl. „was abfällt“ Z.4). Dieser Satz wird auch noch in der darauffolgenden Strophe fortgesetzt, was, wie ich vermute, zeigen soll, dass die folgenden Gefühle durch die in Strophe eins gezeigte Szene verursacht wurden. Auffälig bei dieser Strophe ist die häufige Benutzung des Ausrufungszeichens, um die dargestellten Gefühle noch mehr in den Vordergrund zu rücken. Die Gefühle sind teilweise sehr kontrastiv, nämlich zum einen eigentlich die innere Leere, aber dennoch das Empfinden von Freude und Wohlgefallen. Auch begleitet diese Ausrufe die Anapher („Dieser“;“Diese“;“Diese“ Z.6-7). Ich vermute, dass hiermit das lyrische Ich die Verwirrung, aber doch auch die Erleichterung über die soeben erlebte Situation zeigen möchte, man hat das Gefühl, dass das lyrische Ich sich in einer Schocksituation befindet, weiß also nicht vernünftig, damit umzugehen. In der nächsten Strophe wird sich auf die Realität konzentriert, also auch auf das, was sich verändert hat. Auch zeigt sich, dass das lyrische Ich zum ersten Man die Szenerie betrachtet. Hier lässt sich auch wieder eine Anapher finden („meinen Tisch, meine Hand“ Z.Rock was ein bisschen seine Fassungslosigkeit zeigen soll, was durch seine Verwunderung, dass der Müll weg ist, gestützt wird. Denn es ist „keine Asche“ (Z.9) und auch „keine Kartoffelschale“ (Z.9) mehr da, was zugleich auch eine Anapher ist. Wenn man dies jetzt wieder auf die Hausdurchsuchungen in der NS-Zeit bezieht, soll dieser mitgenommene Abfall die Juden darstellen, die von der Gestapo in Haft genommen worden waren. Warum sie mit Abfall verglichen wurden, ist durchaus einleuchtend, denn Juden wurden als nicht lebenswert eingestuft, also wurden sie wie Abfall behandelt. Die letzte Strophe beschreibt die Situation danach als eine „bessere Welt“(Z.10), es wird ein bisschen das Gefühl von Hoffnung des lyrischen Ichs deutlich, dass es auch noch eine schönere Welt gibt. Es beschreibt diese Gruppe „sie“, welche die Gestapo darstellt, mit Hilfe eines Vergleichs mit der Müllabfuhr („wie die Müllabfuhr“, Z. 12), auch werden Adjektive wie „nützlich“,“rücksichtslos“ und „hilfreich“ genannt. Da aber Rücksichtslosigkeit nicht auf eine Müllabfuhr zutrifft, wird dieses Wort besonders hervorgehoben, denn es beschreibt die Zusatzeigenschaft der Gestapo.

Wie ich anfangs gesagt hatte, gibt es wohl einen Grund, warum das Gedicht keinen Reim hat. Obwohl das Gedicht eigentlich sagt, dass diese Durchsuchungen regelmäßig abliefen und somit hätte es eigentlich einen Reim geben müssen, um diese Routine auch sprachlich hervorzuheben. Ander Stelle wird für mich die indirekte Kritik Enzensberger deutlich, dass man diese Durchsuchungen nicht als selbstverständlich wie die Müllabfuhr betrachten sollte. Das soll den Leser etwas nachdenklich machen. Nach dieser Analyse komme ich zu dem Schluß, dass meine Deutungshypothese richtig ist.

Alles in allem finde ich, dass das Gedicht gut gelungen ist, denn ich finde besonders in der ersten Strophe wird sehr gut dargestellt mit welcher Radikalität die Gestapo damals vorgegangen ist, also mit viel Lärm, häufig hat man das Geschehen als Nachbar mitbekommen, man traute sich also nicht nachzusehen, sondern hörte es einfach nur. Auch finde ich, dass Enzensberger die Situation mit seinen Worten präzise beschreibt, denn man war froh, dass es vorbei war, aber eigentlich war man immer noch voller Angst, man war geschockt. Auch zeigt es, dass Zugriffe der Gestapo keine Einzelfälle waren, sondern schon mit zum Tagesablauf gehörten. Auch ist das Gedicht typisch für Enzensberger, der nicht für Verdrängung, sondern für Auf- und Verarbeitung der NS-Zeit war.


Viele Dank
kocherpirat
Gast





BeitragVerfasst am: 11. Jan 2010 18:42    Titel: Das ging wohl daneben... Antworten mit Zitat

Wenn Deine Interpretation stimmen würde, dann wäre das lyrische Ich ja (mindestens) ein Sympathisant der Nazis, denn es möchte ja genauso sein wie sie (die Müllabfuhr). Mein Vorschlag: Du nimmst die Müllabfuhr einfach erstmal als Müllabfuhr - die starken Worte sind keine Aussage über die Müllabfuhr, sondern entspringen Enzensbergers Wunsch, starke, d.h. ausdrucksstarke Lyrik zu machen. Nebenbei: er hat selbst tatsächlich Poetik-Vorlesungen gehalten (Frankfurter Poetik-Vorlesungen). Die Lyrik soll genauso wirksam sein wie die Müllabfuhr, darum geht es. Wenn Du mit aller Gewalt unmittelbar politische Aspekte darin unterbringen willst, dann würde die (lyrische) Müllabfuhr den Müll von 1000 Jahren (Naziherrschaft) zermahlen, oder aber es ist ein befreites Aufräumen des Armutsmülls der Nachkriegszeit (Asche und Kartoffelschalen).

Alles andere geht wohl gar nicht.

kocherpirat(at)web.de
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